Essay von Hannes Swoboda (Präsident des Club of Rome – Austrian Chapter) |

Die Wahl von Präsident Biden in den USA – und ich gehe davon aus, dass es dabei bleibt – schafft neue Chancen für eine globale Klimapolitik. Denn bei aller Notwendigkeit von verstärkten Anstrengungen auf nationaler Ebene dürfen wir nicht vergessen, dass nur globale Aktionen einen nachhaltigen Einfluss auf das Klima haben werden. Wir brauchen daher nationale, europäische und globale Anstrengungen. Da Präsident Biden klar und deutlich angekündigt hat, dass er die USA zum Pariser Klimaabkommen zurückführen wird, haben sich die Bedingungen für eine offensive Umweltpolitik wesentlich verbessert. Internationale Maßnahmen ersetzen nicht nationale Anstrengungen aber geben den wichtigen Rahmen dafür ab.

Europa könnte und müsste dabei eine Vermittlerrolle zwischen den nationalen Bemühungen und globalen Aktivitäten spielen. In vielen Fällen geschieht das schon. Es gibt keine Region, die trotz aller Einschränkungen, eine so klare Klimastrategie fährt, wie die Europäische Union. Insbesondere die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sind da sehr aktiv und an hohen Standards interessiert. Aber der Teufel steckt im Detail. Und da sind vor allem die Handelsabkommen, die die EU Kommission namens der Mitgliedsländer verhandelt in die Kritik gekommen.

Europa und seine Handelspolitik

Derzeit betrifft die öffentliche Diskussion vor allem das EU-Mercosur-Abkommen mit einer Vielzahl lateinamerikanischer Länder. Im konkreten geht es vor allem um die Auswirkungen auf das Amazonasgebiet. Mit Recht fragen sich viele, wie sich das Abkommen auf die Entwaldung dieses heiklen Gebiets auswirken wird. Viele befürchten, dass dieses Abkommen den negativen, globalen Klimawandel und auch die Vernichtung der Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung vorantreiben wird. Eine unlängst veröffentlichte französische Studie kommt zum Schluss, dass der zu erwartende verstärkte Export von Rindfleisch aus Brasilien zu einer verstärkten Abholzung der Regenwälder führen wird. Denn die Zucht von mehr Rindern braucht mehr Weideland. Und diese gewinnt man durch die Zerstörung wertvoller Wälder.  

Da auch seitens der europäischen Landwirtschaft Einwände gegen vermehrte Rindfleischexporte erhoben werden, kommt es zu einer Koalition – von nicht immer umweltbegeisterten – europäischen Bauern  und Klimaschützern. Beide lehnen aus unterschiedlichen Gründen das Abkommen ab. Zwar beinhaltet das Abkommen mehrere Schutzklauseln hinsichtlich der ökologischen und sozialen Standards einerseits und der Überforderung des europäischen Markts anderseits, diese sind aber zu schwach und schwer durchzusetzen. Auf Grund des Widerstands vor allem in Frankreich, Deutschland und Österreich aber auch im EU-Parlament hat das Abkommen, jedenfalls in der derzeitigen Fassung, kaum Chance auf eine Realisierung.

Aber eine Ablehnung dieses Abkommens löst noch keineswegs das Problem der Abholzung und deren negativen Auswirkungen vor allem auf das globale Klima. Brasilien und insbesondere Präsident Bolsonaro wehren sich gegen ausländische Einflüsse auf inner-brasilianische Entscheidungen. Beim derzeitigen Verständnis nationaler Souveränität ist das auch verständlich. Zwar kann man argumentieren, dass Brasilien seine von ihm selbst übernommenen Klimaverpflichtungen mit der bestehenden Rate an Abholzungen nicht einhalten wird können. Aber das wird nicht helfen.

Klimapolitik braucht neue  Ansätze und Strategien

Es besteht weitgehende Einigkeit, dass der Amazonas-Regenwald nicht nur die Heimat indigener Völker darstellt, die immer wieder ausgerottet und vertrieben wurden und werden. Er beinhaltet auch wertvolle Ressourcen zu Verwendung und Herstellung von Medikamenten. Aber vor allem stellt er eine wesentliche Ressource für einen umfassenden Klimaschutz dar. Unter anderem ist der Regenwald ein wichtiger CO2 Speicher.

Wenn dem so ist, und daran besteht kein Zweifel, dann hat er globale Bedeutung und daher müsste die Weltgemeinschaft und vor allem diejenigen Länder und Regionen, die über Jahrhunderte die Umwelt und das Klima geschädigt haben, Verantwortung für den Regenwald übernehmen. Da gibt es schon einige vor allem auch europäische Initiativen. Diese wurden allerdings jüngst zum Teil aufs Eis gelegt – weil Präsident Bolsonaro weitere Rodungen zumindest zuließ, wenn nicht beförderte.

Was wir aber jetzt brauchen, ist ein europäische, noch besser transatlantische Aktion, die Brasilien  und anderen Ländern ein Angebot macht, das schwer abzulehnen ist. Der Verzicht auf weitere Rodungen sollte finanziell abgegolten und gemeinsame Projekte erarbeitet werden, um eine schonende und nachhaltige Nutzung in Gang zu setzen. Vor allem sollte die Forschung intensiviert werden, wie die natürlichen Ressourcen z.B. für die Entwicklung von Heilmitteln verwendet werden können.

Die sogenannte entwickelte Welt sollte sich nicht mit Kritik an der Zerstörung des Amazonas Gebiets zufrieden geben und sich auf die Schulter klopfen. Sicher können die EU-Handelsverträge einen – besseren – Beitrag zur Klimapolitik leisten. Aber wir brauchen zusätzliche Strategien, über die Handelsverträge hinaus. Wenn wir die Regenwälder als „commons“, also als gemeinschaftliche Güter für die Welt betrachten, dann müssen wir sie als solche behandeln und – auch  finanzielle – Verantwortung dafür übernehmen. Das wird sicher ein schwieriger Prozess werden. Die nationale Souveränität ist nach wie vor eine heilige Kuh, auch wenn sie schon vielfach ausgehölt wurde. Aber gerade der Klimawandel und die entsprechenden Gegenstrategien brauchen neue Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Und vor allem die reicheren Länder dieser Welt, insbesondere die USA und die EU müssten hier in die Zukunft weisende Initiativen setzen.

Und China?

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat vor einigen Wochen die Welt mit einer klimapolitischen Aussage überrascht. China, so meinte sein “starker Mann“, sollte 2060 klimaneutral werden. Das ist sicherlich ein hehres Ziel und würde eine effektive globale Klimapolitik stark vorantreiben. Aber ist dieses Ziel auch realistisch? Betrachtet man den massiven Ausbau der Kohlekraftwerke in- und außerhalb Chinas, finanziert bzw. konstruiert durch China, dann kann man keine umfassende umweltbewusste Strategie erkennen.

Es ist verständlich, dass China eine forcierte Industriestrategie fährt, um das Land und seine Bevölkerung wirtschaftlich voranzutreiben. Und auf dem Gebiet der Solarenergie und der Elektromobilität unternimmt China große Anstrengungen. Aber der Ausbau der Kohlekraftwerke konterkariert diese Maßnahmen. Und wie erwähnt betrifft das nicht nur China selbst. 40 Prozent der von China im Ausland finanzierten Kraftwerke im Zeitraum von 2000 bis 2019 waren Kohlekraftwerke. Und das oft in Ländern, die die Sonnenenergie optimal nützen könnten.

Wettbewerb zugunsten der Ärmeren

Die USA werden auch unter Präsident Biden eine gegenüber China kritische Strategie fahren. Im Unterschied zu Präsident Trump hat aber Biden ein großes Interesse an einer aktiven Klimapolitik. Gemeinsam mit der Europäischen Union sollten die USA China in eine globale Klimapolitik einbinden und auch auf eine tatkräftige Umsetzung der Klimaziele drängen. Alle müssten auch den „Entwicklungsländern“ helfen ihre Ressourcen – vor allem die Sonneneinstrahlung – im Sinne der Klimapolitik zu verwenden.

Auch diesbezüglich braucht es neue Ansätze. Man wird den Wettbewerb zwischen den USA, der EU und China – und auch Indien, Japan etc. – innerhalb der Entwicklungsländer vor allem in Afrika nicht zum Verschwinden bringen können. Aber er sollte diesen Ländern nützen und nicht zu neuen Formen des Kolonialismus führen. Es geht darum, einen Wettbewerb um die besten nachhaltigen Lösungen zu führen,  die den lokalen Bedingungen gerecht werden und den Klimawandel bekämpfen.  Die Welt braucht einen Green New Deal der allen Menschen einen Weg in eine klimaneutrale Zukunft bereitet. So wie bei der Bekämpfung der Pandemie dürfen die großen und reicheren Länder auf die ärmeren nicht vergessen. Nachdem sie über Jahrzehnte benachteiligt, ja ausgebeutet wurden, müssen ihnen neue Chancen gegeben werden.

P.S. Im Rahmen der Jahrestagung des Club of Rome – Austrian Chapter am 24. 11 ab 14 Uhr  werden auch die internationalen Aspekte der Klimapolitik behandelt. Mehr hier.

(Beitragsbild von Shutterbug75 via Pixabay)