24. Januar 2023, von Dr. Hannes Swoboda (Präsident des Club of Rome – Austrian Chapter)

Der Zustand und die Entwicklung der Energiepartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika zeigen die ganze Widersprüchlichkeit aber auch Komplexität der Energiepolitik der beiden Kontinente sowie deren Zusammenarbeit. Die zunehmend grüne Energiepolitik der Jahre vor dem russischen Angriffskrieg – Green Deal – war darauf aus, afrikanische Länder von Investitionen in Gas und Öl abzubringen. Unbeschadet davon haben gleichzeitig – auch europäische – Energiekonzerne eifrig nach Öl und Gas gesucht und nationale Regierungen in Afrika mit wachsenden Einnahmen gelockt, solche Projekte zu unterstützen. Viele Regierungen waren bereit auch ökologisch problematische Projekte zu unterstützen was angesichts der finanziellen Situation und der Überschuldung vieler afrikanischer Länder bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbar ist.

Scramble for Gas

Der russische Angriffskrieg hat die Trendwende zu erneuerbaren Energien kurzfristig über den Haufen geworfen. Der Krieg und die Verlangsamung bzw. der Stopp von Gaslieferungen aus Russland haben Regierungsvertreter*innen aus den EU-Ländern zu Gaseinkäufern gemacht. Wo immer Gas verfügbar war – über Pipelines oder mittels Schiffe – wurde dieses auch nach Europa als Flüssiggas transportiert. Dieser Prozess hat rasch für den Bau einer entsprechende Infrastruktur, oder auch so genannten Terminals, gesorgt.

Gleichzeitig wurde aber auch die Kooperation mit afrikanischen Ländern hinsichtlich der traditionellen Kohlenwasserstoffe belebt. Es kam zu einem erneuerten scramble (Gerangel) in Afrika, wobei es bei dem „Scramble for Africa“ (mit dem Höhepunkt auf dem Berliner Kongress 1884) um die Aufteilung Afrikas auf die europäischen Kolonialmächte ging und das jetzige „Scramble for Gas“ (in Anlehnung an die vorherige Bezeichnung) die Gewinnung von Gas und Erdöl fokussiert. Zudem geht es um den Ausbau von Leitungsnetzen, damit Gas auch nach Europa transportiert werden kann. Eine solche Magistrale soll zuerst von Nigeria nach Marokko und von dort dann nach Europa gehen – die Pipeline würde/wird 5.600 km lang sein und 13 afrikanische Länder kreuzen. Unabhängig davon wollen einige afrikanische Länder, zum Beispiel Senegal und Mauretanien, Flüssiggas nach Europa liefern. Und dazu braucht es Anlagen in den afrikanischen Häfen und solche in Europa.

Die zweifelhafte Zukunft von Gas und Öl 

Selbstverständlich kann man auch den afrikanischen Ländern die Gewinnung und den Transport von Öl und Gas nicht verleiden oder gar verbieten. Zuerst stellt sich allerdings die Frage, wie die Öl- und Gasunternehmen mit den direkten Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt umgehen. Und da können die Betroffenen und kritische Medien selten von positivem Verhalten der Unternehmen und nationalen Regierungen berichten. Im Gegenteil, Landstriche und damit Lebensgrundlagen vieler Menschen wurden/werden bereits zerstört. Ein Beispiel dafür – und auch dafür wie schwierig es für die lokale Bevölkerung ist zu finanziellen Entschädigungen zu kommen – ist die „East African Crude Oil Pipeline“, die von Lake Albert in Uganda nach Tanga in Tansania führen soll. Starke Proteste gibt es auch bezüglich eines off shore Terminals für Gastransporte vor Saint-Louis in Senegal. Vor allem fürchten viele Fischer um ihre Existenzgrundlage durch eine starke Beeinträchtigung der Fischereigründe. 

Es stellt sich aber auch die Frage inwieweit sich diese Investitionen rentieren, wenn man die Energiewende ernst nimmt. Werden diese Investitionen sogar die Energiewende verzögern und nach hinten verschieben? Sicher wird man auf absehbare Zeit Gas und Öl für die Wirtschaft benötigen, doch die Energiewende in Richtung Nachhaltigkeit muss Vorrang haben. Das gilt für die Länder Europas genauso wie für die afrikanischen Länder. Ein afrikanisches Land, das einen solchen Plan zur Energiewende ausarbeiten ließ, ist Nigeria. Man kann nur hoffen, dass Nigeria’s ambitionierter Energy Transition Plan, der deutlich von einer Fortsetzung des bisherigen Entwicklungspfades abweicht, auch umgesetzt wird.

Der Maghreb: Zentrum der EU-Afrika Energie Partnerschaft

Der Vorrang der Nachhaltigkeit im Energiebereich ist in der seit 2007 bestehenden „Africa-EU Energy Partnership“ verankert. Das Ziel ist eine „leistbare, nachhaltige und moderne Energieversorgung in Afrika“. Diese Partnerschaft ist ein Rahmen, der auf die nachhaltige Energieversorgung in Afrika ausgerichtet ist, aber auch eine entsprechende Energieversorgung in Europa zum Ziel hat. 

Schon aus geografischen Gründen ist die Zusammenarbeit der EU mit den Ländern in Nordafrika von besonderem Interesse. Dabei liegen die Schwierigkeiten bei dieser Zusammenarbeit nicht so sehr an der europäischen Uneinigkeit, sondern eher an den Konflikten zwischen manchen Ländern des Mahgreb, vor allem zwischen Marokko und Algerien. Im Norden Afrikas treffen jedenfalls die Europäische Nachbarschaftspolitik mit dem Green Deal und die speziellen Ziele der Energiewende aufeinander. Konkret gibt es seit Oktober 2022 eine EU-Moroccan Green Deal Partnership. Insgesamt geht es bei den Partnerschaften der EU mit nordafrikanischen Ländern um Solar- und Windenergie zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und um die Nutzung seltener Erden und kritischer Metalle für Batterien, insbesondere für nachhaltige Mobilität.

Schon Anfang 2021 hat Amine Bennis vom European Council for Foreign Relations eine intensive Zusammenarbeit der EU, speziell mit Marokko und Tunesien, bezüglich grünen Wasserstoffs eingefordert. Das sollte ein wichtiges Element der Kooperation im Rahmen des EU Green Deal sein. Dabei kommt es natürlich darauf an, dass sich einzelne Mitgliedsländer der EU bereit erklären solche Projekte in Angriff zu nehmen. 

Auf der anderen Seite müssen die Länder südlich des Mittelmeeres ihrerseits Strategien zur Energiewende und speziell zur Erzeugung von Wasserstoff entwickeln. Es geht um den gesamthaften Nutzen für die eigene Bevölkerung und weniger den Export der Energien nach Europa in den Mittelpunkt zu stellen. Die Erzeugung und der Verkauf von Wasserstoff soll Teil eines Konzepts sein, das den Menschen unmittelbar Vorteile bringt. Es geht um Arbeitsplätze, Energieversorgung, Versorgung mit Trinkwasser etc. Es liegt im Interesse aller, dass die Energie-Kooperation mit der EU auch vor Ort Zufriedenheit und Zustimmung erzeugt.

Dabei sind noch einige technische Fragen offen, um zu wirtschaftlich vernünftigen und wettbewerbsfähigen Lösungen zu kommen. Wie kürzlich ein japanischer Bericht feststellte, ist Europa in Bezug auf relevante Patente für eine Wasserstoffwirtschaft sehr gut aufgestellt. Und so wie in anderen Bereichen der nachhaltigen Energien ist auch bei der Produktion und beim Transport von Wasserstoff mit Kostensenkungen zu rechnen. 

Afrika und Europa brauchen nicht nur schöne Deklarationen, sondern Modelle einer Partnerschaft zu einer nachhaltigen Gewinnung und Weiterleitung von Energien, wie zum Beispiel von Wasserstoff. Projekte, wie dasjenige zwischen Deutschland und Namibia im Süden Afrikas oder das zwischen Österreich und Tunesien im Norden des Kontinents, könnten solche Modellprojekte darstellen. Am Wichtigsten ist, dass die Interessen beider Seiten, vor allem der lokalen Bevölkerungen, im Mittelpunkt stehen. Denn es geht nicht nur um einen Energiewandel, sondern auch um einen Wandel im Verhältnis zwischen Europa und Afrika. Es geht um ein Stück Gerechtigkeit nach Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten von ungleichen und ungerechten Beziehungen.

Genau diese Themen werden auch in unserer Veranstaltung am 30.1.2023 in Wien gemeinsam mit dem World Energy Council diskutiert und weitergedacht. Hier geht es zur Event-Website.