Die Zukunft unserer Ernährung: Endloskrise oder Transformationsrevolution?

von Fritz Hinterberger

Aufzeichnung des Events kann hier angesehen werden.

Andreas Breitenfellner eröffnete die Veranstaltung seitens der OeNB als Gastgeber und verwies unter anderem auf den Begriff der regenerativen Landwirtschaft, der als neuer Leitbegriff in der Nachhaltigkeit gilt. Die OeNB kümmere sich um Finanzmarktstabilität und Inflation und auch diese werden von Vorgängen im Ernährungssektor mit beeinflusst. Breitenfellner zitiert dabei eine Studie, nach der Wetterextreme die Inflation beeinflussen (wenn auch in geringem Ausmaß). 

Club of Rome – Austrian Chapter Präsident Hannes Swoboda dankte zunächst Gertrude Suschko, die diese Veranstaltung maßgeblich vorbreitet hat. Er verweist eingangs auf den Hunger, der aktuell auch von diversen Kriegen ausgelöst wird, wie etwa in der Ukraine oder in Gaza. Etwa ein Drittel der schädlichen Emissionen komme aus dem Ernährungskomplex (inkl. Landwirtschaft, Düngerproduktion, Transport bis hin zur Abfallentsorgung), zitiert Swoboda den Earth4All Bericht und erläutert die dort beschriebene „Kehrtwende Ernährung“ mit ihren drei Hebeln: (1)Umstellung der Landwirtschaft, (2)Ernährungsumstellung und (3)Abbau der Lebensmittelverschwendung. Sein Statement kann hier nachgelesen werden.

Gertrude Suschko erläuterte danach den Grundkonsens, auf dem das Earth4All-Konzept fußt: „Wir betrachten in allen in dem Bericht behandelten Themen drei miteinander verflochtene Systeme – Wirtschaft, Gesellschaft, Naturraum. Wir wollen das in der gesamten Komplexität betrachten und auch die Wissenschaft einbeziehen. „Unser Ziel ist, diese Player zusammen zu bringen“, so Suschko.

Marianne Penker arbeitet „inter- und transdisziplinär an transformativen Lösungen“ für den ländlichen Raum und hat dabei unter anderem am Sachstandsbericht für die europäische „Farm to Fork“-Strategie mitgearbeitet: „Lebensmittel für alle seien durch technologische Mittel und Verfügbarkeit fossiler Energie leistbar geworden“. Sie verwies auf die EU, die in ihrer „Farm to Fork“-Strategie – in der einleitend darauf hingewiesen wird, dass es in Europa trotz Überfluss nicht gelingt, das Klima zu schützen – Nutzen fair zu verteilen und für eine gesunde Ernährung zu sorgen.

Während bei uns ein Zehntel des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben wird, ist es im globalen Süden eher schon die Hälfte. So gäbe es ein Nebeneinander von Überernährung und Unterernährung, Lebensmittelabfällen und gravierenden negativen Einflüssen auf die Umwelt. Die Hälfte des in Österreich produzierten Getreides geht in die Futtermittelproduktion, 30% in Treibstoffe, nur 20% direkt in die Ernährung, erklärte Penker. Regenerative Landwirtschaft verbessere Bodenqualität und speichert CO, was aber viele Jahre Zeit brauche. Ein Zentimeter Humusaufbau braucht ca. 100 Jahre.

Marianne Penker führt uns in ihrem Vortrag aber auch klar vor Augen, dass wir das Thema Landwirtschaft nicht nur als Werkzeug zur Nahrungsmittelproduktion verstehen dürfen. Das wäre viel zu kurz gegriffen. Am Beispiel des Rindes zeigt sie die verschiedenen Aspekte, die ebenfalls in unsere Gesamtbetrachtung aufgenommen werden müssen: denn hier geht es auch um den Erhalt der Kulturlandschaft und die damit verbundene Biodiversität, es geht auch um Identität und die Attraktivität unseres Naturraums für den Tourismus. 

Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung und Präsident der internationalen Vereinigung der Naturkatastrophenversicherer, stellte ein Zitat von US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack an den Beginn seiner Key Note: „Jeder, der isst, ist Teil der Landwirtschaft“. 

Die stärksten Herausforderungen sieht Weinberger im Klimawandel und Bodenverbrauch. 2023 musste die Hagelversicherung 50% der Entschädigungsleistungen für das Thema Dürre leisten. Zwei große globale Versicherungen würden das Risiko „Dürre“ demnächst  gar nicht mehr anbieten, sagt Weinberger. In Österreich beliefen sich die von der Versicherung entschädigten  Dürreschäden in den letzten10 Jahren  auf 1 Mrd. €.

Ursache des übermäßigen Bodenverbrauchs (11 Hektar pro Tag) seien vor allem falsche Entscheidungen in der Raumordnung. Ziel der EU sei demgegenüber ein Netto-Bodenverbrauch von null. In Österreich sei die „Straßenlänge pro Kopf“ 15 Meter, in Deutschland mit 8 Metern die Hälfte. In Österreich gäbe es 60 Supermärkte pro 100.000 Einwohner:innen, in Deutschland nur 40 – das sind in Österreich um 50% mehr – und das bei 40.000 ha an Leerständen. Österreich sei darin Europameister: 130.000 ha sind in 20 Jahren verbaut – und das bei sinkender Lebensmittel-Selbstversorgung. 3000 m2 Ackerfläche sind nötig, um eine Person zu ernähren; in Österreich sind aber nur 1600 m2 verfügbar. Gleichzeitig trage der Flächenfraß auch zur Verschandelung des Landschaftsbildes bei, was wiederum den Tourismus negativ beeinflusst. 

Lösungsansätze sieht Weinberger in einem Bündel aus raumplanerischen Vorgaben, fiskalischen Instrumenten und sonstigen Maßnahmen. Beispiele anhand von Vorschläge von Expert:innen seien mehr direkte Demokratie (weil Menschen in ihrem regionalen Umfeld eher gegen Baumaßnahmen wären) – also lieber sanieren als zubetonieren. Die Kommunalsteuer steuert dabei völlig falsch, so Weinberger Naturraumzerstörung werde dadurch fiskalisch belohnt. Auf Nachfrage befürwortet Weinberger einen finanzieller Ausgleich für kleine Betriebe, die Stärkung der Regionalität und befürwortet eine Leerstandsabgabe.

Im abschließenden Panel fragte die Journalistin und Moderatorin Birgit Schaller, Marianne Penker nach ihrer größten Sorge. „Dass wir es nicht schnell genug hin kriegen“, antwortete Penker, denn es sei ein Verteilungsthema, kein Produktionsthema.

„Wie geht’s Ihnen mit den erwähnten Veränderungen“ fragt Schaller Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes. Die Österreichische Land- und Forstwirtschaft sei dabei, sich weiter zu verändern. Das geforderte Tempo  sei aber ein Problem. „Es werden Strohschweine eingefordert, aber nur sehr verhalten gekauft“. Die österreichische und europäische Politik übe starke Zwänge aus, die für die Landwirte schwer zu erfüllen sind.

„Österreich habe EU-weit den höchsten Anteil an Vegetariern“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbands, als Beispiel für die großen Veränderungen, denen Österreich auch seitens der Konsument:innen ausgesetzt ist.

Der Handel sei laut österr. Bundeswettbewerbsbehörde nicht schuld an den höheren Preisen im Vergleich Deutschland, sondern die Industrie. Markus Mühleisen, CEO der Agrana, erwidert als Vertreter der Lebensmittelindustrie an der Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Handel – unter anderem als weltgrößter Hersteller von Apfelsaftkonzentrat. Mühleisen „findet es richtig gut“, dass der Club of Rome dieses Panel zusammen gestellt hat.