von Hannes Swoboda

In einer Konferenz in Brüssel organisiert von Globe EU und dem Club of Rome – an der ich als Präsident des Austrian Chapters des Club of Rome teilnahm – präsentierten mehrere ExpertInnen den EU-ParlamentarierInnen und deren MitarbeiterInnen die verschiedenen Herausforderungen und Anliegen einer nachhaltigen Entwicklung. Und grade jetzt angesichts einer neuen EU-Kommission und eines neu gewählten EU-Parlaments war es wichtig, auf die dringendsten Aufgaben der Klimapolitik aufmerksam zu machen. Neben der Fülle an Forderungen und notwendigen Maßnahmen ging es vor allem um ein umfassendes Konzept der „circular economy“ also einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Alle TeilnehmerInnen der Tagung waren sich einig, dass es nicht nur um Abfallwirtschaft und Recycling also um eine „Nacharbeit“ geht. 

Circular economy setzt eine umfassende Reorganisation des Produktions- und Konsumationsprozesses voraus. Der gesamte Lebenszyklus der Produkte und Leistungen muss unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Ressourcen gestaltet werden. Es geht also um ein neues Businessmodel. Das ist aber auch im Interesse der Wirtschaft. Denn auch sie leidet an Knappheit wichtiger Ressourcen. So musste bereits eine Papierfabrik in Finnland die Produktion reduzieren, da das verfügbare Wasser knapp wurde. 

Aber Wasser bzw. die Knappheit des Wassers ist nicht nur ein wachsender wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein Sicherheitsfaktor. So hat ein hochrangiger Militär an den Beispielen Afghanistan und Syrien die Wasserknappheit als eine der Ursachen, die zum Krieg führten, dargelegt. Aber auch andere klimabedingte Veränderungen können zu Konflikten und Kriegen führen. 

Interessant war, dass sich viele TeilnehmerInnen einig waren, dass die soziale Frage nicht übersehen werden darf. So meinte einer der ReferentInnen, dass man die Frage der Ökologie nicht nur den Ökologen überlassen darf. Bei der Berücksichtigung der sozialen Frage geht es einerseits um die Beachtung der Beschäftigungsauswirkungen der Umwandlung der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Es kann sein, dass insgesamt eine Transformation der Wirtschaft zu mehr Arbeitsplätzen führt. Und man kann auch erwarten, dass alle Kategorien der Qualifikation von einfachen zu hoch qualifizierten Arbeiten davon profitieren können. 

Aber es gibt auch Verlierer. Zwar ist die Beschäftigung im Kohlesektor in Europa auf zehn Regionen konzentriert und in „nur“ vier Regionen ist sie dominierend. Aber obwohl die Beschäftigung im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verarbeitung von Kohle „verschwindend“ gering ist, in einigen Regionen würde eine „kohlefreie“ Wirtschaft, also das Schließen der Kohleminen gravierende wirtschaftliche und soziale Probleme schaffen. Und hier müsste eine faire Kompensation erfolgen: primär durch neue Arbeitsplätze und im Notfall durch finanziellen Transfer. 

Anderseits wurde auch die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen angesprochen. Klimapolitik muss Hand in Hand mit einer Wiedererlangung einer gerechteren Einkommensverteilung gehen. Parallel zur Konferenz erschien in „Le Monde“ dieser Tage ein Beitrag des bekannten französischen Ökonomen Thomas Piketty. Er meinte, jede Kreislaufwirtschaft muss sich auch um den finanziellen Kreislauf kümmern. Denn nach ihm kann mit den gegenwärtigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine überzeugende Klimapolitik betrieben werden, vor allem kann nicht die Bevölkerung für die nachhaltige Klimapolitik gewonnen werden. 

So sollten die Gewinne und hohen Einkommen nicht immer bei denselben anfallen und sich dort vermehren. Es geht darum, durch eine entsprechende Besteuerung Geld immer wieder neu in den Kreislauf zu bringen. Piketty argumentiert in seinem Blog, dass die „Hyperkonzentration der wirtschaftlichen Macht“ durch eine progressive Steuer abgebaut werden muss. Und die daraus fließenden zusätzlichen Steuereinnahmen können dazu verwendet werden, eine soziale Ausgestaltung der Klimapolitik zu finanzieren. 

Sicher werden nicht alle den relativ radikalen Vorschlägen von Piketty zustimmen. Aber immer mehr Fachleute, die den Kapitalismus akzeptieren und verteidigen, sehen sowohl die Missachtung der Klimafrage als auch der Verteilungsfrage als das größte Problem für die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Und wenn auch gerade grüne Parteien, jedenfalls in Österreich und Deutschland, jedenfalls bei letzten Wahlen Zulauf bekommen haben, wenn es um konkrete und auch schmerzhafte Maßnahmen geht, kann sich das schnell ändern. Daher sind verteilungspolitische und andere sozialen Begleitmaßnahmen der Klimapolitik notwendig.

Was nun die konkreten und notwendigen Maßnahmen der EU und deren Umsetzung betrifft, so haben wir mit dem dafür verantwortlichen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, einen seriösen und durchsetzungsfähigen Mann, der gemeinsam mit anderen Mitgliedern der EU-Kommission und dem EU-Parlament viel vorantreiben wird. Ich hoffe, dass die Mitgliedsländer nicht ein Zuviel an Blockaden errichten werden. Europa sollte seine klimapolitische Vorreiterrolle nicht verlieren, sondern ausbauen.

In der Tat hat ja schon die vergangene – bzw. die noch amtierende – Kommission einige wichtige Vorschläge zur Entwicklung der circular economy in Europa gemacht. Der Aktionsplan „Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft“, angenommen im Jahr 2015, sieht 54 Maßnahmen vor, die „den Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft“ beschleunigen sollen. Im März dieses Jahres berichtete die Kommission mit Stolz die Umsetzung ihres Programms. Aber das ist natürlich nur die legistische Umsetzung und noch nicht die reale Umwandlung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Aber das Gesetzeswerk und auch das Monitoring der Transformation ist schon ein wesentlicher Fortschritt. Es bleibt zu hoffen, dass gerade die EU-ParlamentarierInnen auf die rasche und reale Umsetzung und wenn nötig Verschärfung der Maßnahmen drängen.